Die Stechuhr gibt das beste Alibi - Urteile - Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Windfelder & Kollegen

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Die Stechuhr gibt das beste Alibi

Herausgegeben von Gerold Windfelder in Verkehrsrecht · 5/12/2013 21:18:00

Nicht restlos aufklären ließ sich vor dem Haßfurter Amtsgericht ein mysteriöser Unfall mit dem Wagen einer 50-Jährigen. Da hatte sich ein Auto nach eineinhalb Stunden auf einem Firmenparkplatz offenbar von selber in Bewegung gesetzt und war auf einen VW-Touran geprallt.
Kann sich ein ordnungsgemäß abgestelltes Fahrzeug ohne äußere Einwirkung von selber in Bewegung setzen und ein anderes geparktes Auto rammen? Wie um aller Welt, fragten sich die Prozessbeteiligten, soll sich das abgespielt haben?
Die Geschichte klingt nach einer dummen Ausrede, aber die Fahrerin konnte ein lupenreines Alibi nachweisen. Deshalb wurde das Verfahren gegen sie vor dem Amtsgericht eingestellt.
Als eine 50-Jährige aus dem Maintal vor etlichen Wochen Post von der Staatsanwaltschaft erhielt, fuhr ihr erst mal der Schreck in alle Glieder: Nach dem an sie gerichteten Strafbefehl sollte sie 2000 Euro Geldstrafe zahlen und acht Monate ihre Fahrerlaubnis abgeben - weil sie angeblich beim rückwärtigen Einparken ein anderes Auto angeschrammt hatte und anschließend getürmt war.An dem beschädigten Pkw war ein Sachschaden von knapp 4000 Euro entstanden. Da sich die Arbeiterin keiner Schuld bewusst war, ging sie zum Anwalt, der Einspruch einlegte - ein Gang, der sich mit der Verfahrenseinstellung mehr als gelohnt hat.
Zeitlicher Ablauf
Was an jenem Montagmorgen des 12. März diesen Jahres genau passierte, das ließ sich nicht restlos aufklären. Jedenfalls bestieg die Schichtarbeiterin in aller früh gegen 5.20 Uhr ihren Ford Focus, um rechtzeitig zu ihrer Arbeitsstelle in einem Königsberger Industriebetrieb zu gelangen. Gegen 5.45 Uhr kam sie auf dem dortigen Firmenparkplatz an und stellte ihr Fahrzeug auf ihrem Stammplatz ab.
Ob sie die Feststellbremse gezogen und einen Gang eingelegt hatte, konnte sie nicht mehr hundertprozentig sagen. Um 5.50 Uhr stach sie bei der Firmen-Stempeluhr und eilte zu ihrem Arbeitsplatz.
Eineinhalb Stunden später ...
Zu diesem Zeitpunkt war der Parkplatz fast leer, weil die meisten Beschäftigten der Firma später mit der Arbeit anfangen. Wie sich bei der Verhandlung herausstellte, wurde der gerammte VW Touran, der einem anderen Mitarbeiter der Firma gehört, gegen 7.30 Uhr geparkt - also über eineinhalb Stunden, nachdem die Frau ihren Wagen abgestellt hatte.
Kurz darauf muss das mysteriöse Ereignis passiert sein, das sich nicht einmal die Gutachterin so richtig vorstellen konnte: Das Auto der Frau machte sich auf dem abschüssigen Gelände selbstständig.
Rechtsanwalt Gerold Windfelder hatte am Tatort getestet, ob das Gefälle dafür ausreicht - was eindeutig der Fall ist, vorausgesetzt, man hat keine Handbremse gezogen. Dass in der fraglichen Tatzeit eine dritte Person das Auto bewegt hatte, konnte zwar theoretisch nicht ausgeschlossen werden, erschien aber unwahrscheinlich. Von daher wurde der Grundsatz "in dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten) angewendet.
Mit den Worten "Es gibt nichts, was es nicht gibt" schlug Amtsrichter Roland Wiltschka vor, das Verfahren einzustellen. Dem schlossen sich der Vertreter der Anklage und die Verteidigung an. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Veröffentlicht im Fränkischen Tag vom 05.11.2012



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